Fotos: Karl Rogers
Kapstadt. Wenn das nicht wieder einmal ein wahres Künstleratelier ist! Hier trocknen Papierarbeiten an quer durch den Raum gespannten Wäscheleinen, warten großformatige Leinwandgemälde Seite an Seite auf ihre Fertigstellung, besetzen Büchertürme, Farbtöpfe und zahllose Farbstifte die Bodenflächen, stapeln sich Skizzen, Ausdrucke und herausgerissene Magazinseiten auf den Tischen. Ich bin im Atelier von Zander Blom, dessen wilde und explosive Malerei auf den ersten Blick ebenso kindlich verspielt erscheint wie dieser Raum.
Einblicke in das Atelier
Auffällig an seiner Malerei ist vor allem, dass darin immer wieder Elemente des Bild- und Formenvokabulars der klassischen Moderne zu finden sind. Warum orientiert sich ein junger südafrikanischer Künstler an Künstlern wie Mondrian, Albers, Malewitsch oder Pollock und scheint sich geradezu an ihnen auszutoben? Mögliche Antworten auf diese Frage versuche ich bei meinem Besuch herauszufinden.
v.l.n.r.: Untitled, 2016; Leaving The Factory, 2018, Camouflage, 2018
Farbbeklext und top gelaunt werde ich von Zander Blom begrüßt. Dass ich seinen Arbeiten erstmals in der Galerie Hans Mayer in Düsseldorf begegnet bin, macht den thematischen Einstieg ins Gespräch leicht. Nach einem kurzen Plausch über die Kunstszene im Rheinland ergibt sich die erste naheliegende Frage:
Ist deine Verbindung zur Malerei der klassischen Moderne vielleicht darin begründet, dass deine künstlerischen Wurzeln in Europa zu finden sind?
Blom: Man könnte eine entfernte Verbindung nach Europa herleiten, aber das wäre wirklich an den Haaren herbeigezogen. Ich bin vielmehr ein echter südafrikanischer Straßenköter; aufgewachsen in den Vororten von Pretoria. Meine künstlerischen Wurzeln verdanke ich meiner sehr besonderen Mutter, die als Malerin, Schmuckdesignerin und Töpferin ständig damit beschäftigt war, ihre Umgebung kreativ zu verändern. Sie hat uns immer eingebunden, sodass Kunst und Bastelarbeiten zu meinem kindlichen Alltag gehörten. Was die Kunstgeschichte angeht, so bin ich eher mit dem Kanon der europäischen und nordamerikanischen aufgewachsen, als mit der eigenen südafrikanische Kunst. Das setzte sich in der Schule fort, wo sie mehr oder weniger nur als Fußnote erwähnt wurde. Dass es letztlich die Klassische Moderne und nicht etwa die Kunst des Barock oder des Mittelalters war, die mich so sehr faszinierte, liegt daran, dass ich dieses ganze Durcheinander von Bewegungen und Manifesten unglaublich spannend, gleichzeitig aber auch exotisch und fremd fand.
Hast du denn später in Europa studiert?
Blom: Nein, auch das nicht. Ich habe eine Kunstschule in Pretoria besucht und dann, ebenfalls in Pretoria Informationsdesign an der Universität studiert. Es war aber nicht das, was ich wollte. So habe ich das Studium abgebrochen, bin zu einem Freund nach Johannesburg gezogen und habe meinen eigenen Weg gesucht und irgendwie angefangen.
Also inhaltlich mit dem angefangen, was du kanntest und das war die Auseinandersetzung mit den Ikonen der Moderne?
Blom: Irgendwie schon. Ich war sehr jung und es war die Zeit, in der es erstmals erlaubt war, gesellschaftskritische Themen künstlerisch interpretieren zu dürfen. Es gab Künstler, die konnten mit ihrer Kunst Dinge erzählen, die vorher nicht angehört worden waren. Mein eigenes Leben und meine Erfahrungen erschienen mir nicht interessant genug zu sein. Ich habe mir den Kopf zerbrochen – immer wieder – um auf einigermaßen gute Ideen zu kommen, aber es klappte nicht. So habe ich mich schließlich auf die Kunstgeschichte gestürzt. In der Klassischen Moderne konnte ich mich in formellen Fragen verlieren, statt mich mit südafrikanischer Geschichte und Politik auseinandersetzen zu müssen. Insgesamt ein tolles Alibi, mich nicht mit Fragen nach der eigenen Identität auseinandersetzen zu müssen.
Und anstelle dessen formal im Medium der Malerei zu experimentieren?
Blom: Ja genau. Zuerst habe ich überwiegend mit Tusche auf Papier gearbeitet, die sich in den Ecken meines Schlafzimmers zu Installationen entwickelten. Dann habe ich begonnen mit Öl zu malen. Alles war sehr kontextual angelegt und wurde fotografisch dokumentiert. Erst als ich mit abstrakter Malerei angefangen habe, konnte ich mich von der realen Welt, die in meinen Fotos noch zu sehen war, lösen. Ich wollte mich nicht weiter auf bekannte Bedeutungsträger verlassen, um Hinweise auf den Kontext oder die Bedeutung meiner Arbeit zu geben. Die Abwesenheit erkennbarer Objekte in den abstrakten Bildern ermöglichte es mir, mich auf Dinge wie Komposition, Struktur, Form, Linie, Farbe und die Materialität von Ölfarbe auf Leinwand zu konzentrieren. Das hat mich von vielen Zweifeln und großem Frust innerhalb des Kunstschaffens befreit und zunächst an der Abstraktion festhalten lassen. In letzter Zeit habe ich aber auch zunehmend figurative, narrative Elemente und Humor in meine Arbeiten eingebracht, weil die reine Abstraktion irgendwie uninteressant für mich geworden war. Und ich denke einfach, dass es nicht ausreicht für einen Künstler, der jetzt lebt, weiterhin im wunderschönen Raum-Zeit Vakuum der reinen Abstraktion herumzuschweben. Wie dem auch sei, das Entscheidende war und ist für mich aber, ein Bild zu malen, das es wert ist, davor stehenzubleiben. Ich möchte einfach herausfinden, was ein gutes Bild ausmacht.
Unabhängig der Motive, die bei dir mittlerweile zwischen Abstraktion und Figuration wechseln, bleibst du einer Sache offensichtlich treu, der Collage. Was macht sie für dich aus?
Blom: Wenn ich versuche, ein einzelnes Bild oder eine Komposition direkt auf die aufgespannte Leinwand zu bringen, fühle ich mich sehr schnell gefangen – vor allem, wenn ich figurativ arbeite. Ich habe es nie hinbekommen, ein einzelnes Bild mit Geduld und Ausdauer zu malen. Schon nachdem die Grundierung aufgetragen ist, scheint es für mich so gut wie keinen Raum mehr zu geben, in dem ich mich bewegen kann. Ich werde unzufrieden, frustriert, verliere die Kontrolle und zerstöre letztlich, was ich gemacht habe. Nur ein einzelnes Portrait oder was auch immer auf einer Leinwand fühlt sich irgendwie nicht ausreichend an. Die Collage macht es mir leichter. Ich kann verschiedene Dinge zusammenbringen. Ich kann meine Meinung ändern, meine Motive neu arrangieren, und hiermit eine ganz andere Arbeit schaffen, als ich urprünglich vorgesehen hatte. Dieser Prozess entspricht auch eher meinem Temperament. Es ermöglicht mir, mit verschiedenen Motiven und Materialien zu experimentieren, ohne dass Druck entsteht. Schau dir beispielsweise mal die einzelnen Bilder an den Wäscheleinen oder an den Wänden an. Im Moment sind sie noch lächerlich, bedeutungslos, einfach nur Fetzen. Erst in einer großen Komposition entwickeln sie einen Sinn. Sie sprechen miteinander, informieren und verändern sich gegenseitig, erzählen eine Art Geschichte. Vielleicht ist es in der Zeit der Multimedialität und Bilderflut auch für die Malerei an der Zeit vom Einzelbild abzuweichen.
Madame Matisse on a Rampage, 2019
Apropos Multimedialität. Neben der Malerei gibt es unter deinem großen Arbeitstitel „The Bad Reviews“ auch Installationen zu sehen oder Musik zu hören …
Blom: Das ist richtig. Es gibt auch Musikvideos. Willst du mal eines sehen?
Mit sichtbarer Vorfreude startet Zander das Video The Future is Shit, das er gemeinsam mit Sean O’Toole produziert hat. Ehrlich, ich habe selten so etwas Durchgeknalltes gesehen! In 1990er Jahre Trash-Ästhetik wiederholt O’Toole im Batman Kostüm immer wieder die zentralen Aussagen: „I’m an artist from the future. Here is my manifesto from the future“ oder „We love the past. The future is shit.“ Zwischendurch ploppt auch immer mal wieder der maskierte Zander Blom auf. Zum Schreien komisch! Mehr Ironie geht nicht. Sein nahezu anarchistischer Umgang mit dem Kanonischen der klassischen Moderne findet hier in bewegten Bildern seine Fortsetzung.
Bedient er sich ihrer nun tatsächlich ausschließlich als Alibi, um seiner eigenen Identitätsfindung aus dem Weg zu gehen, frage ich mich im Rückblick? Oder ist seine Form der Aneignung nicht vielleicht auch als eine Kulturkritik an ein Land zu verstehen, das über Jahrzehnte die künstlerische Freiheit unterdrückt und somit die Weiterentwicklung der eigenen kulturellen Identität verhindert hat? Sein großer Arbeitstitel „The Bad Reviews“ [die schlechten Rezensionen] würden somit nicht der klassischen Moderne als solcher gelten, sondern der verlorenen Zeit in Südafrika, die es zu überwinden und deren Gegenwart man nun mit guten künstlerischen Positionen zu begegnen hat. Neben der Notwendigkeit die eigenen unterdrückten Geschichten erzählen zu müssen, lässt die Kunst von Zander Blom erkennen, dass es an der Zeit ist, wieder Kunst ihrer selbst wegen weiterzuentwickeln. „Einfach herausfinden, was ein gutes Bild ausmacht“ …
Weitere Informationen
… über den Künstler: http://www.zanderblom.com
… über sein Galerieprogramm in Kapstadt: https://www.stevenson.info/artist/zander-blom
… über sein Galerieprogramm in Düsseldorf: http://www.galeriehansmayer.de/de/artists.html